Unser aktueller Buchtipp
Zwei Bücher, die man beide lesen sollte!
Die junge Autorin Caroline Wahl beschreibt in ihren Büchern die Entwicklung von Tilda, der großen Schwester, und der zehn Jahre jüngeren Ida.
Im Buch "22 Bahnen" leben beide mit ihrer Mutter zusammen in einer kleinen Wohnung. Die Mutter, vor Jahren von ihrem Mann, dem Vater von Tilda, verlassen, verfiel der Alkoholsucht. Für ihre kleine Familie hatte sie einst ihr Literaturstudium abgebrochen. Nach der Trennung kam Ida zur Welt, das Kind einer Zufallsbekanntschaft, Vater unbekannt. Tilda ist für Ida Mutterersatz und bemüht sich nach Kräften, der Kleinen ein Heim zu geben. Die Mutter ist dazu nicht fähig. Als Ida zehn Jahre alt ist steht Tilda kurz vor dem Abschluss ihres Masterstudiums. Da ergibt sich für Tilda die Chance zur Promotion. Allerdings muss sie dazu Ida und die Mutter verlassen und nach Berlin umziehen. In den Sommerferien bereitet sie Ida auf ein Leben allein mit der Mutter vor.
Im Buch "Windstärke 17" schildert nun die mittlerweile erwachsene Ida die Zeit nach Tildas Weggang. Die Mutter ist an einer Überdosis verstorben. Ida gibt sich daran die Schuld und flüchtet aus ihrer Heimatstadt. Sie landet auf der Insel Rügen, findet dort ein Heim bei Marianne und Knut. Als sie auch noch Leif kennenlernt, scheint das sich Leben für sie zum Guten zu wenden.
Beide Bücher sind in einer flotten, jugendlichen Sprache verfasst, die jüngere und ältere Leserinnen und Leser gleichermaßen anspricht.
Unsere besondere Empfehlung!
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Sofia Lundberg: "Der Weg nach Hause" - Ergreifende Geschichte einer Frauenfreundschaft, vom Kindesalter bis ins hohe Erwachsenenalter
Die Erzählung beginnt im Sommer 1949. Viola und Lilly, zwei kleine Mädchen, leben auf der schwedischen Insel Gotland und sind beste Freundinnen. Viola lebt zusammen mit Eltern und Großmutter behütet und finanziell abgesichert. Nebenan wohnt Lillys Familie, die einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss: die Mutter stirbt bei der Geburt des neunten Kindes. Bei Lillys Familie ist das Geld immer knapp, der Vater bemüht sich redlich, für alle Kinder da zu sein. Die beiden Mädchen verbindet über all die Jahre eine innige Freundschaft. Erwachsen geworden geht Lilly einen Weg, der sie irgendwann zwingt, zusammen mit ihrem Bruder Alvin, Violas heimlicher Liebe, das Land fluchtartig zu verlassen. Ohne Abschied nehmen zu können, bleibt Viola zurück und weiß lange nicht, was mit ihrer Freundin und Alvin passiert ist. ...
Die Geschichte wechselt die Zeitebenen, man erfährt Begebenheiten aus der glücklichen Kindheit der Freundinnen. Dann wieder erzählt das Buch von den vergangenen Jahrzehnten, so wie sie Viola und Lilly jeweils erlebt haben. Der Leser lernt beider Lebenswege kennen. Es gab in all den Jahren keinen Kontakt zwischen den Freundinnen, bis Lilly eines Tages unerwartet aus Paris bei Viola, inzwischen schon Urgroßmutter, anruft und ihr eine erschreckende Mitteilung macht, auf die Viola sofort reagiert ...
Die Geschichte der beiden Freundinnen berührt tief, sie behandelt alle Fassetten einer Freundschaft, die verzeiht, die vergessen lässt, die viel aushält und viel ertragen kann. Ein Buch, über das man nach dem Lesen der letzten Seite noch intensiv nachdenkt.
Eine absolute Leseempfehlung, es wird aufgenommen in die Liste unserer "Lieblingsbücher!"
Besprechung: Bücherei Villmar
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Martina Bogdahn: "Mühlensommer"
Die Städterin Maria wird wegen eines Unfalls auf den Bauernhof ihrer Eltern gerufen und sieht sich wehmütig mit ihrer Jugend auf dem Land konfrontiert. (Annotation bv)
Maria ist auf dem elterlichen Einödhöf aufgewachsen, in der Kindheit hatte sie oft mit Vorbehalten gegen ihre bäuerliche Herkunft zu kämpfen, wurde oft von Klassenkameradinnen ausgelacht. Nach bestandenem Abitur verließ sie den Hof um in der Stadt zu leben.
Über ein langes Wochenende startet sie mit ihren beiden Töchtern und einer befreundeten Familie in einen Wanderurlaub. Diesen muss sie kurzfristig unterbrechen, da ihr Vater einen Unfall hatte und nun im Krankenhaus liegt. Sie soll die Mutter auf dem Hof bei der Stallarbeitunterstützen und mit der dementen Großmutter helfen.
Zunächst fällt ihr dies nicht leicht, aber zunehmend kommen Erinnungen an die KIndheit, an Erlebnisse mit ihrem Bruder Thomas auf und ändern nach und nach ihre Einstellung zum Leben auf dem Hof.
Die Autorin beschreibt das Leben auf dem Hof anschaulich und humorvoll. Bei der Lektüre des Buches kann man sich jederzeit in die Geschichte hineinversetzen.
Lange habe ich nicht mehr so ein schönes Buch gelesen, meine besondere Empfehlung, nicht nur als Sommerlektüre.
Besprechung: Gabi Schermuly
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Arno Geiger: "Unter der Drachenwand"
Das letzte Kriegsjahr verbringt Soldat Veit Kolbe als Verwundeter in beschaulicher Idylle im Salzkammergut.
Rezension (bv.)
Anfang 1944 kommt Soldat Veit Kolbe verletzt aus Russland nach Hause. Er zieht sich an den Mondsee im Salzkammergut zurück, wo ein Onkel Postenkommandant ist und ihm ein Zimmer besorgt. Dort kuriert er eine Splitterverletzung aus und schluckt Pervitintabletten gegen seine Angstattacken. Auf Krücken humpelnd erkundet er das beschauliche Landleben. In der Nachbarschaft ist eine Lehrerin mit einer Schar halbwüchsiger Mädchen auf Landverschickung untergebracht. Ein Bruder der Quartiersfrau, der sich nach Brasilien träumt, züchtet im Gewächshaus Orchideen und Tomaten. Und als Zimmernachbarin hat er die Darmstädterin Margot mit ihrem Säugling. Die beiden kommen sich nach und nach näher. - Arno Geiger bringt mit den Tagebucheinträgen des Soldaten Veit einen neuen Ton in die Kriegsliteratur. Der Protagonist ist voller Empathie, anfangs beobachtet er das Geschehen mit leichter Distanz, doch zunehmend verwickelt er sich in die Belange der anderen. Außer Veit kommen noch weitere Stimmen zu Wort: Briefe von Margots Mutter aus Darmstadt, Liebesbriefe von Kurt an seine Freundin Nanni in der Kinderlandverschickung und Aufzeichnungen des Juden Oskar auf der Flucht. Diese Mischung lässt Veits Liebesgeschichte vor einem plastischen Hintergrund lebendig werden.
Rezension Autor*in (bv.):Karin Blank
Zu diesem Roman gibt es weiterführendes Buchmaterial, z.B. für den Unterricht in der Schule.
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Elisabeth Sandmann: "Porträt auf grüner Wandfarbe"
Großartiges Romandebüt über eine außergewöhnliche Familie im 20. Jahrhundert.
Verlagstext:
1918 trifft die bodenständige Ella im oberbayerischen Schloss Elmau auf die glamouröse Ilsabé. Es entsteht eine ebenso unzerbrechliche wie komplizierte Freundschaft, die Kriege übersteht, Jahrzehnte überdauert und dramatische Geheimnisse bewahrt.
Schon als Mädchen träumt Ella Blau aus Bad Tölz von eigenen Schuhen aus Leder, die ihr den Weg in ein unabhängiges Leben ermöglichen sollen. Jahrzehnte später liest die junge Londoner Übersetzerin Gwen die roten Hefte, die Ella bis 1938 mit ihren Erinnerungen gefüllt hat. Ellas Aufzeichnungen führen Gwen in das legendäre Hotel Schloss Elmau, zu einem Gutshof bei Köslin und in das Berlin der 1920er-Jahre. Ellas Schicksalsfreundin Ilsabé, Gwens inzwischen 94-jährige und reichlich kapriziöse Großmutter, scheint ihr Wichtiges aus der Vergangenheit zu verschweigen. Geht es nur um verlorene Bilder oder doch um viel größere Verluste? Auf ihrer Reise in die aufwühlende Geschichte ihrer Familie versucht Gwen, das Geheimnis zu entschlüsseln.
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Andreas Wunn: "Saubere Zeiten" - Die dramatische Geschichte einer Unternehmerfamilie und ein großer Vater-Sohn-Roman
Als Jakob Auber erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt, macht er sich auf ins Zuhause seiner Kindheit, an der Mosel. Dort beginnt er, sich mit der Vergangenheit seiner Familie zu beschäftigen. Sein Großvater Theodor Auber war im Wirtschaftswunder-Deutschland eine schillernde Figur. Er erfand ein Waschpulver, mit dem er ein reicher Mann wurde, bis er unter ungeklärten Umständen alles verlor. Seine Spurensuche führt Jakob bis nach Rio de Janeiro. Dort trifft er die Tochter des jüdischen Besitzers der Drogerie, in der die Karriere seines Großvaters einst begann. Jakob erfährt, was hinter Aufstieg und Fall des Familienimperiums steckt - und das sein eigenes Glück davon abhängt, ob er sein Leben in die Hand nimmt oder nicht.
In seinem Roman erzählt Andreas Wunn eine große Geschichte von Vätern und Söhnen, Schuld und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen und dem Glück einer Familie, das in den Händen zerrinnt wie Pulver.
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Gil Ribeiro: "Lost in Fuseta"
Kennen Sie schon Kommissar Leander Lost? Er ermittelt im Süden Portugals an der Algarve. Eine Krimi-Reihe nicht nur für Portugal-Liebhaber
Hier ein Auszug aus der Rezension von Luisa Costa-Hölzl (Bv) zum 1. Band der Reihe
Bis jetzt ist Portugal dem deutschen Lesepublikum nicht als Land für Verbrechen, smarte Kommissare und vertrackte Krimis bekannt. Dem wollte Gil Ribeiro, alias Holger Karsten Schmidt, einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands, entgegenwirken. Ein Krimi an der Algarve-Küste, einem der beliebtesten Touristen-Paradiese! Dorthin nämlich wird Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, innerhalb eines Austauschprogrammes für ein Jahr geschickt. Und gleich nach seiner Ankunft sieht er sich mit einem Mordfall im idyllischen Fischerdorf Fuseta konfrontiert. Lost ist der Dritte im Team von Graciana Rosado und Carlos Esteves, zwei Sub-Inspektoren, die anfangs den Deutschen für sehr merkwürdig halten. Denn Leander hatte in kürzester Zeit die Landessprache gelernt, zieht sich merkwürdig an und starrt jeden Fremden an. Doch letztlich ist seinem Handicap die Lösung des Falles zu verdanken.
Das Buch beschreibt liebevoll und detailliert Land und Leute, und der Fall selbst verweist auf ökologische, wirtschaftliche und politische Probleme bzw. Skandale um die Wasserversorgung. Portugal-Fans, aber auch für Liebhabern von Krimiliteratur, wird diese Reihe um Kommissar Leander Lost sicher gut gefallen.
Wir haben in unserem Bestand:
"Lost in Fuseta" - den 1. Band
und "Einsame Entscheidung" - den 5. Band der Reihe
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Susanne Betz: "Heumahd"
Ein großartiger Roman, der das einfache Leben einer eigensinnigen Bergbäuerin im Werdenfelser Land Ende der 1880er Jahre beschreibt.
Als König Ludwig II. 1886 im Starnberger See ums Leben kommt, sind die Menschen im Werdenfelser Land schockiert. Dass ihr Ehemann in einer eiskalten Nacht erfriert, empfindet Vroni Grasegger dagegen als großes Glück: Endlich ist sie nicht mehr seinen Misshandlungen ausgeliefert. Optimistisch übernimmt sie das Sagen auf dem einsamen, gegenüber dem Karwendel gelegenen Bergbauernhof und die Sorge für die behinderte Stieftochter Rosl. Harte Arbeit bei der Heumahd und Missernten bringen Vroni an ihre Grenzen, ebenso wie der Druck aus dem Dorf, dass sie wieder heiraten soll. Da begegnet sie dem Maler Wilhelm Leibl, den eine Schaffenskrise in die Berge führt – und auf Vronis Hof. Zwischen dem homosexuellen Künstler und der jungen Bäuerin entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Als Leibl dann noch einen englischen Arzt und Alpinisten mitbringt, verbreitet sich in dem kurzen Bergsommer eine ungekannte Leichtigkeit. Und Vroni schöpft vielfältige Hoffnungen …
(entnommen Homepage der ekz Reutlingen)
Der Roman erinnert an die Geschichte der Anna Wimschneider im Roman "Herbstmilch".
"Heumahd" verdient eine besondere Empfehlung, ungemein lesenswert!
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Naumann, Kati: "Die Sehnsucht nach Licht"
Luisas Familie ist eine alteingesessene Familie von Bergarbeitern im Schlematal im Erzgebirge. In der Vergangenheit gab es immer wieder schlimme Unfälle unter Tage, einige Familienmitglieder kehrten nicht aus dem Bergwerk zurück. Aus diesem Wissen heraus, lebt die Familie jeden Tag bewusst und hält fest zusammen. Auch Luisa arbeitet tief unter der Erde, sie führt Touristen durch ein Besucherbergwerk. Viele Tage verbringt sie dadurch ohne Tageslicht. Für sie ist es für die schönste Tätigkeit, die sie sich vorstellen kann.
Ein Großonkel war kurz nach dem zweiten Weltkrieg verschollen. Luisa beginnt mit Nachforschungen, eine Reise in die Ukraine und nach Russland soll Aufklärung bringen. Dabei kommen Dinge an die Oberfläche, von denen die Familie nichts wusste. Endlich kann mit der Vergangeneheit abgeschlossen werden.
Ein sehr lesenswertes Buch, man erfährt viel über den Bergbau im Erzgebirge, die Vergangenheit als Kurort von Bad Schlema und die politische Situation über viele Jahre hinweg..
Alina Bronsky: Bärbel stirbt nicht
Martina Ackermann, Leiterin des Kundenservices bei der borromedien GmbH schreibt über den Roman:
"Barbara stirbt nicht" ist das urkomische Porträt einer Ehe, deren jahrzehntelange Routinen mit einem Schlag außer Kraft gesetzt werden, und ein berührender Roman über die Chancen eines unfreiwilligen Neuanfangs.
Walter Schmidt ist seit über fünfzig Jahren mit Barbara verheiratet und ebenso lange hat er keinen Finger krumm gemacht im Haushalt. Im ersten Moment denkt man: Gibt es dies heute noch?
Man muss Walter nicht unbedingt mögen, aber die Situation sorgt dafür, dass er sich weiterentwickelt. Man spürt, wie sehr er seine Frau braucht und dass er sich sorgt.
Der Schreibstil von Alina Bronsky ist im Übrigen sehr locker. Obwohl die Geschichte humorvoll ist, hat sie doch auch Tiefgang.
Auch mir hat das Buch ausnehmend gut gefallen. Ich habe mehrfach herzhaft gelacht. Am Ende blieb ich jedoch nachdenklich zurück, die Geschichte um Barbara und ihren Herrn Schmidt hat mich noch einige Zeit gedanklich beschäftigt. (G. Schermuly)
Der Literaturgesprächskreis bespricht dieses Buch am Donnerstag, 23. März, in der Bücherei in Runkel.
Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
Rezension:
Amerika in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts: Elisabeth, ausgebildete Chemikerin, bewirbt sich um eine Stelle in einem Institut. Als Frau erhält sie jedoch nur eine Arbeit als Hilfskraft. Ihre Lage ändert sich, nachdem sie den Nobelpreiskandidaten Calvin Evan trifft. Es beginnt eine Liebesgeschichte, das Paar zieht zusammen und lebt glücklich miteinander. In seinem Labor kann sie endlich ihrer Ausbildung entsprechend arbeiten. Das glückliche Zusammenleben ändet jäh, als Calvin tödlich verunglückt. Elisabeth stellt fest, dass sie ein Kind erwartet. Der Leiter des Instituts will sie nicht weiter beschäftigen, sie verliert ihre Arbeit. Das Blatt wendet sich, als ein Bekannter ihr die Leitung einer Kochsendung anbietet. Mit ihrer unkonventionellen Art und wie sie das Thema Chemie mit dem Kochen verbindet schafft sie es, dass die Sendung zum Renner wird. Beflügelt durch ihren Erfolg ruft sie andere Frauen auf, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Damit eckt sie in der Männerwelt übel an. Doch Elisabeth gibt nicht auf- Die Autorin beschreibt in ihrer Geschichte das vergangene Jahrhundert sehr eindrucksvoll. Beim Lesen erfährt man, wie schwierig, beinahe aussichtlos es für Frauen war,wissenschaftlich zu arbeiten.
anlehnt an eine Rezension von (bv.):Elfriede Bergold
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Buchtipp im August 2022: Laetitia Colombani: Das Haus der Frauen
Rezension (bv.)
Rezensentin:Gabi Radeck
Paris 1999: Solène, eine erfolgreiche Anwältin, erleidet einen Burn-out. Als begleitende Therapie rät man ihr, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sie wird gebeten, einmal in der Woche Frauen in einem Frauenhaus als "Schreiberin" zur Verfügung zu stehen. Sie wird letztendlich akzeptiert, erfährt immer mehr über das Schicksal der Bewohnerinnen, über ein Leben, das Solène bisher nie sah und sehen wollte. Ihr werden die Augen geöffnet für die Bedürfnisse und Nöte der Menschen - auch ihre eigenen.
Paris hundert Jahre zuvor: Blanche Peyron will unbedingt Soldatin der britischen Heilsarmee werden. Doch plötzlich lernt sie ihre große lebenslange Liebe Albin kennen, sie heiratet diesen Mann, wird mehrfache Mutter. Sie bleibt trotzdem bei der Heilsarmee, sieht das Elend vor allem der Frauen und Mütter, hilft, wo sie kann, bis zu Erschöpfung. Eines Tages entdeckt sie einen verlassenen Palast. Sie kämpft unerbittlich für ihren Traum: ein Haus für Frauen, die sonst auf der Straße leben müssten. Blanche und Albin schaffen es durch unermüdlichen Einsatz, das Geld dafür aufzutreiben und das Projekt zu realisieren. Das erste Frauenhaus wird 1926 eröffnet.
Genau in diesem entdeckt Solène fast 100 Jahre später ihre wahre Bestimmung.
Der Pariser Autorin ist nach ihrem Erfolgsroman "Der Zopf" wieder ein wunderbares, emotionales Buch gelungen, über zwei Frauen, die sich nie begegnet sind. Aber ohne Blanche hätte Solène nie ihren Weg gefunden. Frauen, die kämpfen, für ihre Liebe, ihre Überzeugungen, und Frauen, die erst ihre Berufung entdecken müssen. Ein Buch über Menschlichkeit und die Überzeugung, dass nichts im Leben umsonst ist.
Diese drei Romane von Laetitia Colombani sind eine Empfehlung wert und können in Villmar kostenlos ausgeliehen werden:
Der Zopf
Das Haus der Frauen
Das Mädchen mit dem Drachen
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Buchtipp im Juli 2022: Kommissar Kluftinger ermittelt wieder!
"Affenhitze" der neue Kluftinger-Krimi von Michael Kobr und Volker Klüpfel
2019 wurden in einer Lehmgrube bei Pforzen im Allgäu tatsächlich Knochen gefunden, die mutmaßlich mehr als 11 Millionen Jahre alt sind und ein neues Licht auf die Evolutionsgeschichte werfen. Kommissar Kluftinger und sein Team aus Kempten sind dienstlich vor Ort, weil der bayerische Ministerpräsident der Ausgrabungsstätte einen Besuch abstatten will. Die Veranstaltung wird allerdings empfindlich gestört, als ausgerechnet Dr. Langhammer den Grabungsleiter, einen Tübinger Professor der Paläontologie, unter einem Bagger tot auffindet. Wissenschaftliche Kontroversen, wirtschaftliche Interessen des Grubenbesitzers und eine benachbarte Öko-Sekte halten den Kultkommissar und seine bunte Ermittlertruppe schwer auf Trab. Kluftinger hilft seiner Frau Erika ganz unkonventionell beim Flohmarkt zugunsten der Flüchtlingshilfe und probiert mit Dr. Langhammer den Drohneneinsatz aus.
Der interessante Hintergrund rund um "Udo" Danuvius guggenmosi macht diesen 12. Band mit Kommissar Kluftinger besonders. Wenn sich der hoffnungslos altmodische Klufti dann auch noch in den Weiten des World Wide Web verheddert und der Tagesmutter seiner Enkelin nachspioniert, kommt auch der Klamauk nicht zu kurz. Ein "Muss" für alle Kluftiger-Fans!
Rezension Autor*in (bv.):Marion Sedemayer
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Brigitte Glaser: Kaiserstuhl : Roman
Der Roman spielt im Jahr 1962. Es sind noch viele Wunden aus dem Zweiten Weltkrieg offen. Bundeskanzler Adenauer und der französische Präsident De Gaulle suchen die Versöhnung zwischen ihren beiden Völkern. Nirgendwo sind die Bande so eng wie beiderseits des Rheins zwischen dem Kaiserstuhl und dem Elsass.
Die Autorin, die in dieser Region beheimatet ist, verortet dort ihren neuen Roman:
Henny, erfolgreiche Weinhändlerin in Freiburg, hat im Krieg den Vater und den Mann verloren und mit dem Ziehsohn Kaspar und dem Elsässer Paul in der Nachkriegszeit zunächst scheinbar eine neue Familie gefunden. Aber die Schatten der Vergangenheit machen das brüchige Glück zunichte. Ihre Wege kreuzen sich erst wieder, als Paul 1962 für den französischen Sicherheitsdienst eine symbolträchtige Flasche Champagner aus der Vorkriegszeit auffinden soll, zur Feier der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags.
Brigitte Glaser kombiniert viele Themen, prickelnden Champagner, Leidenschaft für das Kino, eigenständige Frauen und viel Zeitgeschichte. Daraus macht sie einen spannenden und unterhaltsamen Roman, den wir gerne zur Lektüre empfehlen.
Bereits in unserem Bestand sind die beiden Erfolgsromane der Autorin: "Rheinblick" und "Bühlerhöhe". - Sehr empfehlenswert.
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Buchtipp im Mai 2022: Ein Künstlerpaar der Geschichte
Sylvia Frank: Gala & Dali - die Unzertrennlichen : Roman
»Das Leben ist zu kurz, um unbemerkt zu bleiben.«
Spanien, 1929: Gala begleitet ihren Mann, den Dichter Paul Éluard, in den Fischerort Cadaqués, wo er einen jungen Künstler namens Salvador treffen will, der bald in Paris ausstellen soll. Als Gala den zehn Jahre jüngeren Künstler kennenlernt, ist sie fasziniert von seinem eigenwilligen Auftreten. Er öffnet ihr immer mehr den Blick für seine Welt - und hat dabei nur Augen für sie, Gala. Die aufkeimende Liebe zwischen den beiden bleibt Paul nicht verborgen, und er stellt Gala vor eine Entscheidung. Schweren Herzens beschließt sie, mit ihm und der gemeinsamen Tochter nach Paris zurückzukehren - doch sie kann Salvador nicht vergessen ... (Verlagstext)
Die bewegende Liebesgeschichte von Gala und Salvador Dalí - ein ungleiches Paar, das alle Widerstände überwindet und sich für ein gemeinsames Leben für die Kunst entscheidet.
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Buchtipp im April 2022
Carsten Henn: Der Buchspazierer
Ein 72-jähriger Buchhändler bringt besonderen Kunden bestellte Bücher nach Hause - unterstützt von einer forschen Neunjährigen.
Rezension (bv.) Rezension Autor*in (bv.):Gudrun Eckl
Der alte Buchhändler Carl Kollhoff lebt zurückgezogen in einer Wohnung voller Bücher und freut sich jeden Tag darauf, am Abend nach Geschäftsschluss der Buchhandlung, in der er sein Leben lang gearbeitet hat, einigen besonderen Kunden ihre bestellten Bücher bei einem Spaziergang durch die Stadt nach Hause zu bringen. Er wird immer schon freudig oder ungeduldig erwartet, wechselt aber jedes Mal nur wenige Worte mit ihnen; er fürchtet, sonst aufdringlich zu wirken. Eines Tages gesellt sich die aufgeweckte, naseweise und forsche neunjährige Schascha bei seinem Buchspaziergang zu ihm. Sie bringt die Routine dieser Lieferungen gründlich durcheinander, bei ihm und bei den Kunden. Sie öffnet schon mal ungefragt Türen, poltert in Wohnungen, stellt direkte Fragen - und spürt genau, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Sie bringt Carl dazu, genauer hinzuschauen, auf Zwischentöne zu hören - und beide versuchen zu helfen. Beide sind überzeugt, dass es für jeden Menschen für jede Situation das richtige Buch gibt. Doch als die neue Chefin der Buchhandlung ihm kündigt, gibt Carl sich fast auf - aber da kennt er Schascha schlecht!
- Ein liebenswerter und unterhaltsamer Roman über leidenschaftliche Bücherleser, humorvoll und traurig zugleich erzählt - all die oft skurrilen Charaktere dieser Geschichte wachsen den Lesern ans Herz.
Jedem Bücherliebhaber gern empfohlen!
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Eine Krimireihe, die in Portugal spielt: Lost in Fuseta von Gil Ribeiro
Leander Lost, ein deutscher Kommissar in Diensten der portugiesischen Polizei, ermittelt zusammen mit seinen Kollegen, in Fuseta an der Algarve. Krimireihe um den Hamburger Kommissar Lost in Diensten der portugiesischen Kripo
Der Autor, hinter dem Pseudonym verbirgt sich ein deutscher Drehbuchautor, legt sehr viel Wert auf die Atmosphäre in seinen Geschichten. Seine Beschreibung der portugiesischen Landschaft, dem landestypischen Essen und den Eigenheiten der Einheimischen macht neugierisch auf das Land, man möchte direkt einen Urlaub dort buchen.
Im März 22 haben wir zwei Krimis aus der Reihe im Bestand:
Spur der Schatten
Weiße Fracht
Viel Spaß beim Lesen, es gibt mit Sicherheit ein Urlaubsfeeling!
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Angelika Klüssendorf: Vierunddreißigster SeptemberAusgelesen:
Vierunddreißigster September von Angelika Klüssendorf
Zugegeben, ich bin ein Fast-Food-Leser. Nur zu gerne schlinge ich Zeilen in mich hinein, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel arbeite ich mich in Windeseile durch, um so schnell wie möglich das Ende der Geschichte zu erreichen. Bei vielen Büchern genügt mir das auch, nicht dass man danach wirklich „zufrieden satt“ ist - das kann Fast-Food eben nicht leisten. Ein netter Zeitvertreib, ein bisschen Spannung und stillen des größten Lesehungers.
Und dann begegnet man einem Roman wie dem „Vierundreißigsten September“ von Angelika Klüssendorf. Innerhalb kürzester Zeit schlinge ich die gerade mal 216 Seiten in mich hinein. Ich will wissen, was der von seiner Ehefrau Hilde ermordete Walter als Friedhof-Bewohner - hm - erlebt(?). Und vor allem: Warum hat sie ihn umgebracht?
„Walter wird zum Chronisten, sieht sich dazu verdammt, die Schicksale im Dorf festzuhalten“ verrät der Klappentext.
Das Beklemmende daran: Selbst im Dorf aufgewachsen, begegne ich Figuren, die mir merkwürdig bekannt vorkommen. Eine gewisse Trostlosigkeit macht sich breit, Menschen wie die „dicke Hubert“, der alte Säufer und zugleich Feuerwehrmann Heinrich, Ortsvorsteherin Doris, die hübsche Helen auf ihren Rollschuhen oder „Eisenalex“ leben ihr Dorfleben. Jeder beißt sich auf seine Art durch und irgendwie fest, keiner traut sich, die Bremse zu lösen. Hier und da wird aus der Reihe getanzt, um sich schnell wieder einzugliedern. Ein paar Freaks, eine Greisin, sogar eine Schriftstellerin, die Palette ist - fast möchte man sagen bunt. Wären sie nicht alle gefesselt in diesem gottverdammten grau-tristen Dorf, in dem die Zeit stillsteht. Und mittendrin die Toten, die die Lebenden studieren. Skurril und ganz schön schräg. Selbst als Leserin will ich da ganz schnell durch, nix wie raus aus dem Dorf. Oder vielleicht doch nicht? Auf der letzten Seite angelangt, erwische ich mich, wie ich das Buch irgendwo in der Mitte wieder aufschlage. Fange an zu lesen und genieße die sprachlichen „Sittengemälde“ der Autorin. Freue mich über jeden einzelnen Satz, und fühle Beschreibungen nach wie: „ Als er zur Tür hinaustrat, lag eine schöne Sommerstille in der Luft, es roch nach verbranntem Holz und Stillstand. Wie konnte es nach Stillstand riechen? Er konnte es nicht genau benennen, es war, wie in der Kindheit neben den Bahngleisen zu sitzen und einfach in der Welt zu sein.“
Und dann beginnen bei der „Nachlese“ plötzlich alle Protagonisten bildhaft zu werden, die Beschreibungen verdichten sich zu Porträts - oder eher zu liebenswerten Karikaturen. Schilderungen werden zu Stillleben. Schicksale verbinden und lösen sich. Und vor allem: Wo ist Hilde?
Wie gut, dass man Bücher verschlingen aber auch jederzeit „widerkäuen“ kann!
Wir bedanken uns bei unserer Leserin und Buchpatin für diese gelungene Buchbesprechung! Das Büchereiteam Villmar
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Juli Zeh: Über Menschen - Der meistverkaufte Roman 2021!
Auch dieser neue Roman der Erfolgsautorin spielt in der Brandenburger Provinz. Die Geschichte handelt „Über Menschen“ während der aktuellen Corona-Pandemie.
Die Hauptfigur Dora zieht aus der hektischen Großstadt auf Land, in ein ödes kleines Dorf nördlich der Hauptstadt. Dort hat Dora ein altes Haus gekauft um zur Ruhe zu kommen und auch um ihrem Lebensgefährten, der sie zunehmend nervt, zu entfliehen. So wie man es von einer Städterin erwartet, fallen ihr die täglichen Arbeiten im Haus und auch die Gartenarbeit schwer. Hilfreiche Nachbarn unterstützen sie, vor allem Gote, der sich ihr gleich als „Dorf-Nazi“ vorstellt. Die Vorurteile, die beide Seiten haben, bauen sich langsam ab.
Es ist die Zeit der Corona-Pandemie. In Brandenburg gibt es fast keinen öffentlichen Nahverkehr, kaum Arbeitsplätze, es fehlen Hausärzte, Schulen … Die Menschen vor Ort sind aufeinander angewiesen, sind von der Politik vergessen.
Dora, die Hauptfigur des Romans, findet im Laufe der Geschichte allmählich zu sich selbst. Nach und nach ahnt sie, auf was es im Leben wirklich ankommt.
Herausgekommen ist ein äußerst lesenswerter Roman über unser Deutschland in der Pandemie. Unsere besondere Empfehlung im Januar und darüber hinaus!
(Besprechung unter zu Hilfenahme der Rezension von Marion Sedelmayer (bv)
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Buchtipp im Dezember 2021: Steffen Kopetzky: Monschau
Monschau in der Eifel, 1962: Ein Monteur der ortsansässigen Rither-Werke war im Firmenauftrag in Indien und infiziert sich dort mit den hochansteckenden Pocken. Zurückgekehrt kurz vor Weihnachten steckt er nicht nur seine Tochter, sondern auch Betriebsangehörige an. Das Land NRW schickt einen Dermatologen und dessen Mitarbeiter, einen jungen griechischen Arzt, zur Seuchenbekämpfung. Die erforderlichen Maßnahmen werden sofort eingeleitet: Isolierung des Krankenhauses und Quarantäne aller betroffenen Personen. Diese Maßnahmen sorgen für Unmut, zumal auch noch der Karneval abgesagt werden muss. Ein ehemaliger Nazi ist Leiter der Rither-Werke und macht mit seinen Einwänden den Ärzten zusätzliche Probleme.
Das Buch beinhaltet auch eine Liebesgeschichte: der junge Arzt und die Erbin der Rither-Werke verlieben sich.
Durch die konsequente Einhaltung der Maßnahmen gelingt es Ärzten und Bevölkerung schließlich, die Epidemie zu besiegen. Für das junge Paar gibt es ein Happy End.
Was ist wahr - was ist Fiktion? Die Epidemie in Monschau gab es tatsächlich, diese konnte nach einigen Monaten als beendet erklärt werden. Außer Professor Stüttgen, den es wirklich gab, sind jedoch alle weiteren Personen frei erfunden.
So wie wir es auch heute in der Corona-Pandemie erleben, schildert der Autor, wie die Ärzte angefeindet und alle Maßnahmen hinterfragt werden. Die Seuche konnte damals nach mehreren Monaten und konsequentem Handeln besiegt werden.
Eine gut zu lesende Geschichte mit wahrem Kern.
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Theresa Prammer: Lockvogel
Ermittlungen in der Schauspielszene: eine als Lockvogel eingesetzte Schauspielschülerin und ein Privatdetektiv kommen bei ihren Ermittlungen beunruhigend gegenwartsbezogenen Fakten auf die Spur.
Rezension (bv.)
Der Freund der Schauspielschülerin Toni hat sich mit ihrem Geld und Schmuck davongemacht. Privatdetektiv Edgar Brehm ist gesundheitlich und finanziell angeschlagen. Sibylle Steiner, Gattin eines Regisseurs, hat Geld und braucht einen Privatdetektiv, der wegen Übergriffigkeit ermitteln soll. Als Brehm und Toni sich auf gegenseitige Unterstützung geeinigt haben, kommen die Ermittlungen ins Rollen. Ein anonymes Tagebuch und ein untergeschobenes Drehbuch komplizieren den Fall.
- Nach Prammers Krimireihe um Carlotta Fiore ein neuer Ansatz; weniger Hochspannung, dafür viel hintergründiger Humor, aktuelle Themen wie #MeToo, lebendige Charaktere mit sehr eigenen Lebensgeschichten und Verwicklungen und große Lust am Erzählen.
Unbedingt lesen!
Rezension Autor*in (bv.):Susanne Körber
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Buchtipp im Oktober:
Thommie Bayer: Das Glück meiner Mutter
Philipp Dorn ist ein Roman- und Drehbuchautor, der mit seinen Werken bereits recht erfolgreich war. Jetzt gönnt er sich eine Auszeit in der malerischen Toskana. Aber auch hier, in der ländlichen Idylle, holt ihn die Vergangenheit unbarmherzig ein.
Zum einen hat ihn seine Partnerin Brigitte verlassen. Aber schwerer wiegt der Gedanke an seine längst verstorbene Mutter.
Seine Mutter litt in der Ehe mit seinem Vater und war entschlossen, diesen zu verlassen, wenn Philipp, damals noch ein Jugendlicher, mit ihr kommt. Philipp wollte nicht und so blieb seine Mutter in der unglücklichen Ehe und verzichtete auf ihr eigenes Glück.
Auch jetzt, viele Jahre später, wirft Philipp sich diese Weigerung noch vor. Da trifft er auf Livia, seine unbekannte Nachbarin, die nachts heimlich in seinem Swimmingpool badet. Es entwickelt sich eine ganz besondere Beziehung: beide treffen sich nur nachts. Das geht solange gut, bis Livias eifersüchtiger Ehemann erscheint.
Gibt es eine nun die zu erwartende Katastrophe?
Thommie Bayer, der Autor dieser Geschichte, hat sich bereits mit seinen Vorgänger-Romanen einen Namen gemacht. Auch dieser Roman ist wieder spannend und unterhaltsam geschrieben, aber keineswegs oberflächlich, sondern ironisch und humorvoll.
"Das Glück meiner Mutter" wurde erst kürzlich angeschafft und kann ab sofort während der Öffnungszeiten ausgeliehen werden.
Wir wünschen eine interessante Lektüre!
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Susanne Abel: Stay away from Gretchen
Rezension (bv.)
"Seine Mam hat vergessen, dass sie alles vergessen wollte!" Eigentlich hat Tom Monderath, ein bekannter und vielbeschäftigter Kölner Journalist, keine Zeit und Lust, sich noch mehr um seine 84-jährige Mutter zu kümmern. Aber als die Diagnose Demenz nicht mehr zu leugnen ist, sieht er sich in der Verantwortung. Die Demenz fördert Lebenserinnerungen aus früheren Zeiten zu Tage: ihre Kindheit im russischen Preußisch Eylau, ihre Flucht nach Westen und der Neubeginn als Jugendliche in Heidelberg. Viele Dinge wurden in Toms Kindheit nicht ausgesprochen, es wurde geschwiegen zu den Verletzungen in der Kindheit und Jugend der Mutter, die im Erwachsenenalter immer wieder mit Depressionen zu kämpfen hatte. Durch die Erfahrung mit der Demenz seiner Mutter und das Lesen alter Briefe bekommt Tom ein ganz neues Bild von ihr. Dabei stößt er auf ein wohlgehütetes Geheimnis: Er hat eine Schwester, die seine Mutter mit einem schwarzen GI nach dem Zweiten Weltkrieg bekommen hat und die zur Zwangsadoption in die USA freigegeben wurde. Hinterfragt durch die Recherche in der Vergangenheit seiner Mutter, muss der Mittvierziger auch in seinem eigenen Leben einiges neu überdenken und ordnen.
Außer den Themen Demenz, Flucht und Vertreibung, Neuanfang in der neuen BRD steht vor allem die Geschichte um die "Brown Babies" im Mittelpunkt der Erzählung. Ein spannendes Zeitdokument über die Lebensperspektiven der Mischlingskinder der 1940-Jahre. Unterhaltsam, lebensklug und informativ - wobei die Figur des Sohnes etwas mehr Schattierung verdient hätte.
Sehr empfehlenswert und in der Bücherei kostenlos entleihbar.
Rezension Autor*in (bv.):Karin Steinfeld-Bartelt
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Veronika Peters: Das Meer in Gold und Grau
Eine junge Frau auf der Reise. Eine alte Frau, die nicht mehr viel Zeit hat. Eine Begegnung, die ungeahnte Türen öffnet
Katia Werner steht kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag, als sie von einem auf den anderen Tag ihren Job samt Wohnung verliert. In dem Bedürfnis, alles hinter sich zu lassen, macht sie sich kurzerhand auf den Weg zu ihrer alten Tante - einer Halbschwester ihres Vaters, die sie bisher noch nicht kennt. Tante Ruth betreibt das malerisch abgelegene "Strandhotel Palau" an der Ostsee, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Seine reichlich betagten Bewohner und vor allem die ebenso ruppige wie auf ihre ganz eigene Weise beeindruckende Tante sorgen dafür, dass aus dem spontanen Wochenendbesuch viele Monate werden. Nach chaotischen Beziehungen und zahllosen Fluchten lässt Katia sich zum ersten Mal auf das Wagnis des Bleibens ein - und ahnt doch nicht, dass sie damit die größte Herausforderung ihres Lebens annimmt. (Verlagstext)
Ein beeindruckender Roman den man nicht mehr aus der Hand legen kann. Nicht nur als Urlaubslektüre geeignet.
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Buchtipp im Juli
Alena Schröder: Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Der Roman erzählt über vier Generationen die Geschichte von Müttern und Töchtern, die miteinander durch ein Geheimnis in der Familie und ein wertvolles, aber verschollenes, Bild verbunden sind.
Hannah, die 27jährige Enkelin besucht regelmäßig ihre hochbetagte Großmutter Evelyn im luxuriösen Seniorenheim. Die Besuche laufen immer gleich ab, bis Hannah eines Tages den Brief einer israelischen Anwaltskanzlei findet.
Sie ahnt, dass ihre Großmutter ihr wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit verschweigt. Aber alle Versuche, ihr etwas zu entlocken, sind vergebens.
Hannah, die unter einer aussichtslosen Affäre mit ihrem Doktorvater leidet, beginnt auf eigene Faust zu recherchieren. Dabei hilft ihr ein Kommilitone, der sachkundig aber aufdringlich ist. Hannah findet heraus, dass ihre Urgroßmutter Senta als junges Mädchen zunächst mit einem Offizier verheiratet war, diesen aber verlassen und später einen jüdischen Journalisten geheiratet hat.
Aus dessen jüdischer Familie stammen die geraubten Kunstwerke, die das israelische Anwaltsbüro für Hannah, die nach Evelyn die Erbin sein wird, aufspüren möchte. Besonders das Gemälde eines holländischen Malers mit der Beschreibung "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" scheint ein Vermögen wert zu sein.
Je näher Hannah ihrer eigenen Familiengeschichte kommt, desto mehr entwickelt sie sich von der unentschlossenen Studentin zu einer eigenständigen Frau mit Zukunftsplänen.
Der Roman erzählt die Geschichte der Urgroßmutter und Großmutter in Rückblenden. Die Lebensläufe sind ausgesprochen spannend, die Zeit der dreißiger Jahre und des Zweiten Weltkriegs wird authentisch erzählt. Die Geschichte fesselt, liest sich flüssig und spricht alle Altersgruppen an.
Stoff für eine Verfilmung!
(Rezension von Gabi Schermuly, Bücherei Villmar)
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Buchtipp Juni 2021
Ich bleibe hier" von Marco Balzano
Die Geschichte Südtirols in der ersten Hälfte des 20. Jh. in einem nachhaltig wirkenden Roman erzählt.ezension (bv.)
Wer schon einmal über den Reschenpass am Reschensee vorbei in den Vinschgau gefahren ist, kennt den Schauplatz dieses Romans. Der alte Kirchturm von Graun ragt wie ein Mahnmal aus dem Stausee hervor und ziert auch das Titelblatt des Romans. Die junge Trina beginnt nach dem Ersten Weltkrieg mit ihren Freundinnen eine Ausbildung zur Lehrerin. Nach der Machtübernahme durch die Faschisten wird Südtirol zwangsitalianisiert. Die deutsche Sprache wird verboten. Trina unterrichtet in einer kirchlich organisierten Untergrundschule und heiratet Erich. Sie schildert das einfache, harte Leben der Bergbauern, die in den Mühlen der Politik zerrieben werden. Die Südtiroler werden zur Entscheidung gezwungen: entweder unter italienscher Herrschaft bleiben oder umsiedeln ins nationalsozialistische Deutschland. Der Riss geht mitten durch die Familien. Erich wird zum italienischen Militär eingezogen. Als er verletzt zurückkommt, desertiert er und flieht mit Trina ins Hochgebirge. Gleich nach dem Krieg werden die Pläne für den großen Stausee, der die Dörfer und Felder überfluten wird, wiederaufgenommen. Trina und Erich leisten Widerstand und müssen doch zusehen, wie ihre Heimat versinkt. Autorin der Rezension (bv.):Marion Sedelmayer
Ein leise erzählter, authentischer Roman über die Bedeutung der eigenen Heimat und Identität, gleichzeitig ein reales und wenig bekanntes Kapitel aus der Geschichte Südtirols.
In Italien war der Roman ein großer Erfolg beim Publikum und für den renommierten "Premio Strega" nominiert
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Unser Tipp im April: "Die Erfindung der Sprache" von Anja Baumheier
Mit viel Sprachwitz erzählt die Autorin in diesem Familienroman von einem autistischen Sprachwissenschaftler, der bei der Suche nach seinem Vater über seine Ängste hinauswächst.
Rezension (bv.)
Adam Riese (!) wächst auf der kleinen fiktiven ostfriesischen Insel Platteoog in einer liebevollen Familie und Dorfgemeinschaft auf. Mutter Oda ist Radiomoderatorin, Vater Hubert Leuchtturmrestaurator und Erfinder, seine tschechische Großmutter Leska eine wunderbare Bäckerin, sein Großvater Ubbo Hobbyalpinist. Sie stören sich nicht an seinen zahlreichen Phobien, genauso wenig wie die anderen Dorfbewohner: Freundin Martha, die Inselpolizistin, der Inselarzt, der Pfarrer. Hochbegabt und mit seiner äußerst gewählten Sprache ist Adam in der Schule ein Außenseiter, der für alle Eventualitäten des Lebens Listen mit nie mehr als sieben Punkten anlegt. Doch kurz vor Adams 13. Geburtstag geschieht die Katastrophe: sein Vater verschwindet 2001 auf einer Pilgerreise und bleibt verschwunden. Seine Mutter verstummt vor Kummer, ihm hilft eine Psychotherapeutin, seine Ängste und Panikattacken zu bewältigen. Er wird Sprachwissenschaftler, geht nach Berlin. Als sich viele Jahre später eine Spur seines Vaters findet, will Adam ihn für seine Mutter suchen und folgt trotz seiner Reisephobie der Spur über Kissingen nach Prag und bis in die Bretagne - bis zum nahezu märchenhaften Ende.
- Wunderbar sprachwitzig und worterfinderisch, mit herrlich skurril gezeichneten Personen erzählt die Autorin abwechselnd aus der Vergangenheit der Familie Adams und vom Abenteuer der Vatersuche in der Gegenwart. Unterhaltungsliteratur zum Genießen! - Die Entdeckung des Frühjahrs!
Rezension Autor*in (bv.):Gudrun Eckl
Annotation (bv.)
Unser Tipp im März: Monika Helfer: "Die Bagage" und "Vati"
Im ersten Band "Die Bagage" erzählt Monika Helfer die Geschichte ihrer eigenen Herkunft.
Josef und Maria Moosbrugger sind arme Bauern, leben mit ihren zwei Kindern am Rand eines Bergdorfes, sind die Abseitigen, von den Einheimischen "die Bagage" genannt. Als der erste Weltkrieg anbricht muss Josef zur Armee. Seine Frau Maria und die Kinder bleiben allein zurückbleiben und stehen unter dem Schutz des Bürgermeisters, der jedoch der schönen Maria nachstellt. Während Josef im Krieg kämpft, kommt Georg aus Hannover in die Gegend. Er spricht reines hochdeutsch und ist ein schöner Mann. Auch er lernt Maria kennen, geht bei ihr ein und aus. Welch Wunder, dass Maria eines Tages schwanger wird. Doch wer ist der Vater, war doch Josef auf Fronturlaub zuhause. Nach Kriegsende kehrt Josef zurück, aber das neue Baby Grete erkennt er sein Leben lang nicht als sein Kind an und wird nie ein Wort mit ihr sprechen: Grete ist die Mutter der Autorin.
Im zweiten Band "Vati" schreibt Monika Helfer ihre Familiengeschichte weiter, im Mittelpunkt steht das Leben ihres Vaters:
Die Autorin erzählt von ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Auch sie wächst in schwierigen, beengten Verhältnissen auf, kennt die Armut, sucht nach ihrer Identität. Sie schreibt über den vielen Platz, über das Kriegsopfer-Erholungsheim in den Bergen, die dortige Bibliothek. Der Leser erfährt dass, was sie selbst über ihren Vater in Erfahrung bringen konnte. Entstanden ist ein Buch über das Erinnern. Eine berührende Geschichte.
Beide Bücher sind sehr zu empfehlen.
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Gleich 3 Krimis von Ragnar Jonasson empfehlen wir im Februar :
1. Band: Dunkel
2. Band: Insel
3. Band: Nebel
1. Band: Dunkel - 2. Band: Insel - 3. Band: Nebel
Hulda Hermannsdóttir, Kommissarin aus Reykjavík, soll in »DUNKEL« frühzeitig in den Ruhestand gehen. Sie darf sich einen letzten Cold Case aussuchen: eine junge Frau, tot an der isländischen Küste aufgefunden, angeblich Selbstmord. Was Hulda entdeckt, ist düsterer als alles, was sie sich vorgestellt hat und zugleich lebensgefährlich.
In »INSEL« geht der Blick zurück auf Huldas Karrierehöhepunkt: Sie wird auf eine abgelegene Schäre geschickt und ist plötzlich einem Mörder auf der Spur, der möglicherweise mehr als nur ein Leben auf dem Gewissen hat …
Und dann, zum Abschluss der Trilogie, taucht in »NEBEL«, zehn Jahre vor den Ereignissen aus »INSEL«, nicht nur ein seltsamer Fremder in der Vorweihnachtszeit auf – auch die Wahrheit rund um Huldas düsteres Schicksal wird rückblickend gelüftet.
Viel Spaß beim Lesen!
Buchtipp im Januar 2021
"Klara vergessen" von Isabelle Autissier
Eine russische Familiengeschichte mit all ihren Höhen und noch mehr Tiefen.
Der gebürtige Russe Juri lebt als Ornithologe zusammen mit seinem Mann in den USA. Zu seiner Heimat und dem brutalen Vater Rubin hat er seit 20 Jahren keinen Kontakt. Als ihn jedoch die Nachricht erreicht, dass sein Vater im Sterben liegt und ihn sehen möchte, reist er nach Russland. Am Sterbebett bittet sein Vater ihn um einen Gefallen: Er soll sich auf die Suche nach seiner Großmutter Klara machen. Als Rubin vier Jahre alt war, wurde sie verhaftet und kam nie wieder. Rubin durfte über seine Mutter nicht mehr sprechen. Jetzt will er wissen, was damals geschah. - Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt - Juris, Klaras und Rubins.
Mitreißend, gefühlvoll, nimmt die Autorin die Leser/-innen mit in eine russische Familiengeschichte mit all ihren Höhen und noch mehr Tiefen. Spannend und berührend bis zum Schluss. - Isabelle Autissier hat nicht nur als erste Frau allein im Rahmen einer Regatta die Welt umsegelt, sondern sie kann auch hervorragend schreiben.
Ein Lob auch an die Übersetzerin Kirsten Gleinig!
Rezension Autor*in (bv.): Tanja Bergold