ein sommerlicher Abendspaziergang rund um den historischen Ortskern von Villmar

41 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und auch 2 Kinder folgten der Einladung des Büchereiteams und Bernold Feuersteins zur 5. literarisch-historischen Wanderung.
Vom Treffpunkt auf dem Brunnenplatz vor dem Rathaus spazierte die Gruppe als erstes zum wunderschön renovierten Fachwerkhaus der Familie Kissel. Dieses Haus gehörte einst dem Oberförster von Hadamar, der die Straßenfront mit beeindruckenden Verzierungen gestalten ließ.
Weiter ging es zum Mattheiser Turm, einem Wachturm des früheren Ortsberings, der nach der Zerstörung der allerersten Ringmauer und der Wachtürme im 14. Jahrhundert wiederaufgebaut wurde. Ursprünglich hatte der Turm eine Höhe von etwa 10 Metern und diente auch als Wohnung. Der Mattheiser Turm hatte keinen Durchlass, da außerhalb der Wehrmauer nur Gartenland und Wiese lag.
Nach den historischen Fakten, die Gabi Schermuly vortrug, stellte Bernold Feuerstein in der Tracht eines Amtmanns vergangener Jahrhunderte ein Sendgericht nach. Die Zuschauer hörten erstaunt von den Oberbrecher Jugendlichen, die sich mit Villmarer Jungen prügelten, wobei einer der Auswärtigen mit einer Hopfenstange am Kopf verletzt wurde. Der Missetäter bekam eine Strafe auferlegt, diese musste er mit Wachs als Währung bezahlen.
Marion Zey-Werner und Gabi Schermuly stellten zusammen mit Michael Staab diesen Vorfall nach, was zur Erheiterung der Wanderer beitrug.
Ein immer wiederkehrendes Thema unseres Abendspaziergangs war die Wasserversorgung in früheren Jahrhunderten. Der Bachborn wurde früher zu einem Löschteich gestaut, dessen Uferwall heute noch zu entdecken ist. Die Gruppe marschierte das Bachgäßchen hinunter bis zum nächsten Stopp am ehemaligen Wiesentor. Leider ist davon nichts mehr zu sehen, da alle Tore, Türme und die Ringmauer um 1820 abgerissen wurden, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits länger keine Schutzfunktion mehr darstellten.
Das frühere Wiesentor war nach der Vogteiburg das zweitgrößte Gebäude des mittelalterlichen Ortes. Es bestand aus einem inneren und einem äußeren Tor. Dazwischen floß der Bachborn als Wehrgraben. Viele der TeilnehmerInnen konnten sich noch an den Brunnen, der bis in die 60ziger Jahre vor dem Haus Baier stand, erinnern. Er war ein sogenannter "Laufbrunnen" und diente der Villmarer Bevölkerung zur Wasserversorgung. Da er aus Villmarer Marmor bestand hat man ihn fachgerecht abgebaut und in Köln als "Villmarer Marktbrunnen" wieder aufgebaut. Das heute an der Ecke Weilburger Straße / Kalkstraße stehende Haus war das einzige Gebäude außerhalb der Stadtmauer. Es beherbergte damals eine Brauerei, die sicher das Wasser aus dem vorbeifließenden Bachborn zum Brauen nutzte.
Da es in früheren Jahrhunderten wohl mehrere verheerende Brände im Ort gab, erstellte man 1555 eine "Nachtwachenordnung". Die Übersetzung ins heutige deutsch trug Michael Staab gekonnt vor. Jeder hat schon von der "Torschlusspanik" gehört. Dies kommt daher, dass nach Schließen der Tore kein Einlass in die Stadt mehr möglich war und man rechtzeitig vor "Torschluss" zur eigenen Sicherheit wieder innerhalb der Stadtmauern sein musste.
Nach einer kurzen Erfrischungspause ging es weiter die "Aspegass" entlang.
Als das Wiesentor abgerissen wurde, baute man den Ort entlang der "Aspegass" weiter aus. So wurde die Weilburger Straße früher genannt, da am rechten Rand mehrere Zitterpappeln (Aspen) wuchsen. Um neue Häuser an der "Aspegass" bauen zu können, musste vom Wiesenberg Felsen abgesprengt werden. Das so gewonnene Material konnte man gut zum Aufbau der tiefliegenden Weilburger Straße und zum Bau der Häuser nutzen. Zwischen Engelshohl und dem heutigen Autohaus baute man im "Wieshohlbruch" Marmor ab. Die sich in Privatbesitz befindliche Wieshohlkapelle, die an der Ecke Weilburger Straße/Engelshohl stand, musste dem Marmorabbau weichen.
Am Abenteuerspielplatz berichtete Tanja Gierden von den Villmarer Posträubern. Diese üblen Gesellen wohnten als scheinbar ehrbare Bürger in Villmar und trieben andernorts ihr böses Unwesen. Die Aussage einer bei einem der Überfälle geschädigten Köchin trug die verkleidete Marion Zey-Werner in einer Spielszene überzeugend vor.
Auf dem gesamten Weg konnte Bernold Feuerstein immer wieder Interessantes berichten, so zum Beispiel zu den Maulbeerbäumen, die auch heute noch am Wegrand zur ehemaligen Schule wachsen. An der Hochstraße erfreuten sich alle an dem wunderschönen Blick auf Kirche und Pfarrhaus. Die Einladung von Bernold, gemeinsam das "Villmarer Lied" zu singen, nahmen alle gern an und so hörte man einen vielstimmigen Sängerchor.
Beim letzten Stopp im Kleinen Graben ging es um den vernichtenden Brand, der in Villmar 1536 ausbrach. Bis zum Brand war Villmar ein wohlhabender Ort, der damals dem neuen Abt von St. Matthias einen fürstlichen Empfang bieten konnte. Der Brand zerstörte alle Anwesen bis auf zwei Häuser, auch die Kirche und das Pastorat blieben unversehrt. Schon zehn Jahre später, 1546, war der Wiederaufbau geglückt und der Ort konnte wieder auswärtige Adelige, die Villmar bereits mehrfach als Versammlungsort genutzt hatten, bewirten und unterbringen.
Nach so viel Eindrücken und Informationen hatten sich alle den Umtrunk im malerischen Pfarrgarten redlich verdient. Bei Wein, Wasser und Gebäck verbrachten alle noch bis zur einbrechenden Dunkelheit eine vergnügliche Zeit.
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Danke an alle, die bei der Vorbereitung und der Durchführung des "sommerlichen Abendspaziergangs" mitgewirkt haben. Ohne die Hilfe vieler ist so eine Veranstaltung im Ehrenamt nicht durchführbar.